Einordung in den Unterricht und didaktische Analyse
Der Betazerfall gehört zu den Standardthemen des Physikunterrichts in der Oberstufe – im Grund- wie auch im Leistungskurs. Die wissenschaftshistorischen Aspekte bei der Postulierung und dem Nachweis der Neutrinos sowie eine Erarbeitung ihrer Eigenschaften werden im Physikunterricht allerdings oft nur am Rande thematisiert. Das Video „Neutrinos (2016)“ eignet sich daher besonders, diese Lücke zu schließen, da die wesentlichen Gesichtspunkte des Themas übersichtlich und zusammengefasst dargestellt werden. Die Arbeitsblätter, die sich in Teilen auf das Video beziehen, wurden so konzipiert, dass sie im Grund- wie auch im Leistungskurs eingesetzt werden können. Tipp-Karten sollen vor allem im Grundkursbereich bei der Umsetzung eines differenzierenden Unterrichts helfen. Als konkretes Beispiel für die Berechnung und die experimentelle Bestimmung der Energien beim Betazerfall wurde das Isotop Tritium gewählt, weil die Energien der Elektronen hier noch gerade in einem Bereich liegen, in dem klassisch gerechnet werden darf. Dies ist bei anderen Betazerfällen nicht mehr der Fall. Die Verwendung der relativistischen Formeln würde aber eine nicht unerhebliche Hürde darstellen, die das eigentliche Thema, nämlich die Notwendigkeit der Neutrinos zur Rettung des Energiesatzes, ungünstig überdecken würde. Die Tatsache, dass es sich beim Betaminus-Zerfall um Antineutrinos handelt, wird in den Arbeitsblättern nicht thematisiert, da dies für das Thema zunächst nicht relevant ist und die physikalischen Hintergründe der Elementarteilchenphysik den Ler-nenden nicht bekannt sind.
Methodische Analyse
Ein zentrales Ziel der Unterrichtseinheit besteht darin, dass die Lernenden nachvollziehen können, warum die Physiker vor 1930 größte Probleme bei der physikalischen Erklärung des Betazerfalls hatten und warum die Postulierung eines weiteren Teilchens zur Rettung des Energiesatzes führte. Daher sind die Arbeitsblätter so aufgebaut, dass die Diskrepanz zwischen theoretischem Ansatz (Poten-tialtopfmodell) und den experimentellen Ergebnissen herausgearbeitet wird und die Leistung Wolfgang Paulis mithilfe des Erklärvideos deutlich und nachvollziehbar wird. Die Tatsache, dass es gut 26 Jahre gedauert hat, bis man das geforderte Teilchen tatsächlich nachweisen konnte, zeigt, welch hervorragenden Spürsinn und Mut für unkonventionelle Lösungen Pauli besaß. Auch dies wird im Video deutlich, wie auch die erheblichen Anstrengungen, bestimmte Eigenschaften des Neutrinos experimentell zu ermitteln.
Vorkenntnisse
Für die Bearbeitung des ersten Arbeitsblattes zu Neutrinos ist es günstig, wenn das Thema „Massendefekt“ beziehungsweise „Bindungsenergie“ bereits behandelt wurde. Es reicht aber unter Umständen auch der Hinweis auf die entsprechende Tipp-Karte (Arbeitsblatt 4). Die Energie, die der Tritium-kern abgibt, erscheint nämlich als kinetische Energie des ausgesendeten Teilchens, also des Elektrons. Diese Energieabgabe führt aus Gründen der Energieerhaltung (Massenerhaltung) zu einem Masseverlust des Gesamtsystems, wobei Masse und Energie über E = mc² miteinander verknüpft sind. Für das zweite Arbeitsblatt sind Grundkenntnisse der Bewegung von geladenen Teilchen in Magnet-feldern erforderlich. Diese sollte in der Regel in den Halbjahren zuvor behandelt worden sein. Im dritten Arbeitsblatt geht es vor allem um die Eigenschaften, den Nachweis und die wissenschaftliche Bedeutung der Neutrinos. Obwohl im Video wie auch im Text (Brief von Wolfgang Pauli) Begriffe und Inhalte auftauchen, die im Unterricht noch nicht behandelt wurden oder gar nicht zum Schulstoff gehören, sollten sich die Aufgaben problemlos bewältigen lassen. An der einen oder anderen Stelle kann die Lehrkraft erklärend Hilfestellung geben, aber grundsätzlich ist es nicht schlimm, wenn bestimmte Aspekte des Themas nicht erschöpfend behandelt werden können. Sollte das Interesse bei den Lernenden für bestimmte Inhalte besonders groß sein, kann dies aber durchaus in Form von Referaten oder besonderen Lernleistungen in den Unterricht integriert werden.